Was sind organisch bedingte Stimmstörungen und welche Formen gibt es?
Bei einer organisch bedingten Stimmstörung entstehen die Stimmklangveränderung und die eingeschränkte Leistungsfähigkeit der Stimme durch unterschiedlichste Ursachen im Kehlkopf (Larynx) bzw. an den Stimmlippen.
Die organischen Veränderungen werden stets ärztlich diagnostiziert und behandelt, in Begleitung von logopädischer Therapie.
Aufgrund organischer Ursachen (z.B. Entzündungen, Tumore, Lähmungen, …) kann es in Folge auch zu funktionellen Stimmstörungen kommen.
Im Folgenden finden Sie häufig auftretende organische Veränderungen, die zu einer organisch bedingten Stimmstörung führen:
1) Entzündungen
1.1. Akute oder chronische Laryngitits (Kehlkopfentzündung)
Unter einer Kehlkopfentzündung versteht man eine akute oder chronische Entzündung der Kehlkopfschleimhaut. Sie ist durch Heiserkeit bis zu einem völligen Verlust der Stimme gekennzeichnet, häufig begleitet durch einen trockenen Husten, starke Halsschmerzen, hohem Fieber und teilweisen Atembeschwerden.
Die akute Laryngitis tritt fast immer im Rahmen einer Virusinfektion der oberen Atemwege auf, die vom Nasen-Rachen-Raum hinunter zum Kehlkopf „absteigt“.
Eine chronische Laryngitis kann sich aus einer akuten Laryngitis ohne ausreichende Stimmschonung entwickeln und wird durch Umwelteinflüsse, Noxen/Gifte wie Nikotin- oder Alkoholkonsum beeinflusst. Die Ursachen einer länger als drei bis vier Wochen andauernden Heiserkeit sollten in jedem Fall von einem Hals-Nasen-Ohren-Arzt abgeklärt werden, um eine Tumorerkrankung (Kehlkopfkrebs) auszuschließen.
1.2. Pseudokrupp
Hierbei handelt es sich um eine akut einsetzende, stenosierende (verengende) Form der Kehlkopfentzündung, welche meist infolge viraler Infektionen auftritt. Durch die virale Infektion entzündet sich die Schleimhaut im Bereich des Kehlkopfes und unterhalb der Stimmritze (Glottis). Dadurch schwillt die Schleimhaut an, sodass es zu einer Verengung der Atemwege kommt. Bei jüngeren Kindern sind die Atemwege noch sehr klein, sodass sich die Einengung stärker auswirkt als bei älteren Kindern oder Erwachsenen. Aus diesem Grund tritt Pseudokrupp überwiegend bei Kleinkindern im Alter zwischen sechs Monaten und sechs Jahren auf und nur in sehr seltenen Fällen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen.
Pseudokrupp ist durch trockenen, bellenden Husten, Heiserkeit, Atemnot und einem hörbar scharfen Geräusch beim Einatmen geprägt.
Die Erkrankung ist nicht mit dem sogenannten „echten Krupp“ zu verwechseln, unter dem man die Entzündung des Kehlkopfes bei Diphtherie versteht, welche in Europa durch einen Impfstoff jedoch sehr selten geworden ist.
1.3. Entzündung des Kehldeckels (Epiglottitis)
Eine Entzündung des Kehldeckels wird meist durch eine bakterielle Infektion ausgelöst und führt zu einem Anschwellen des Kehldeckels. Durch die Schwellung werden der Rachen und der Eingang zum Kehlkopf verengt, was zu Beeinträchtigungen der Atmung sowie zu starken Schluckbeschwerden führen kann. Häufig treten auch quietschende, pfeifende Geräusche beim Einatmen (inspiratorischer Stridor), Luftnot, ein heiserer Stimmklang, massiver Speichelfluss sowie hohes Fieber auf.
2) Tumore / Wucherungen am Kehlkopf
2.1 Gutartige Wucherungen
Ein großer Teil der gutartigen Tumore entsteht aus Entzündungen. Man spricht auch von Pseudotumoren, da es zu keinem Gewebewachstum aufgrund von überschüssigen Zellen kommt, sondern Folge eines Entzündungszustandes ist.
a) Stimmlippenpolypen:
Bei Stimmlippenpolypen kommt es zu einer Schleimhautwucherung an den Stimmlippen (meist nur einseitig). Die Polypen können breitbasig oder gestielt wachsen. Sie entstehen häufig nach einer akuten Kehlkopfentzündung oder bei Menschen, die ihre Stimme oft belasten. Es sind jedoch keine eindeutigen Ursachen für die Entstehung von Stimmlippenpolypen bekannt.
b) Stimmlippenknötchen:
Bei Stimmlippenknötchen kommt es zu einer Verdickung an beiden Stimmlippen.
Diese Verdickungen entstehen bei zu starker Anspannung beim Sprechen, da die Stimmlippen hierbei nicht mehr frei schwingen, sondern aufgrund des großen Drucks hart gegeneinander schlagen. An den Stellen der höchsten Belastung entstehen zunächst Schleimfäden, welche sich bei anhaltendem unphysiologischem Stimmgebrauch verhärten (Stimmlippenknötchen).
Bei Kindern werden diese auch als Schreiknötchen und bei Sängern auch als Sängerknötchen bezeichnet.
c) Reinke Ödem:
Beim Reinke Ödem kommt es zu einer Flüssigkeitsansammlung im Reinke Raum (schmaler Gewebezwischenraum der Stimmlippen, der eine Verschiebung des über ihm liegenden Epithels während der Phonation ermöglicht). Ein Reinke Ödem führt zur Verdickung beider Stimmlippen und entsteht meist durch chronische Reize, welche auf die Stimmlippen einwirken (z.B. Rauchen, Fehl- oder Überbelastung der Stimme, ständiges Einatmen von feinem Staub oder chemischen Stoffen).
d) Laryngozele:
Eine Laryngozele ist eine angeborene oder erworbene Aussackung im Kehlkopf (im Ventriculus laryngis), welche zu einer Stimmstörung und Atembeschwerden führen kann.
e) Stimmlippenzyste:
Bei einer Stimmlippenzyste handelt es sich um einen dünnwandigen Sack, mit serösem oder mukösem Inhalt. Eine Zyste fällt meist durch eine Vorwölbung der Schleimhaut der Stimmlippen auf.
f) Varizen:
Varizen sind Krampfadern, welche auch im Kehlkopfbereich auftreten können und zu einer Veränderung des Stimmklangs führen.
g) Papillome:
Ein Papillom ist ein gutartiger Tumor, der vom Plattenepithel der Schleimhäute ausgeht.
Papillome haben meist ein blumenkohlartiges Aussehen.
h) Chondrom:
Ein Chondrom ist ein Knorpelgeschwülst (meist an der Ringknorpelplatte), welches zu Stimmklangveränderungen, Schluckbeschwerden und Atemnot führen kann.
2.2 Bösartige Tumore
a) Hypopharynxkarzinom (Schlundrachenkrebs):
Das Karzinom befindet sich am untersten Teil des Rachens. Es entsteht häufig durch Umweltgifte, Rauchen, Alkohol oder eine chronische hyperplastische Laryngitis und führt zu Schluckbeschwerden, Heiserkeit (bei sekundärem Einwachsen in das Innere des Kehlkopfes) sowie zu Lymphknotenmetastasen an den Kieferwinkeln.
b) Kehlkopfkarzinom:
Der Tumor kann sich entweder supraglottisch, d.h. oberhalb der Stimmritze im Bereich des Kehldeckels befinden, direkt auf den Stimmlippen (Glottiskarzinom / Stimmlippenkarzinom) oder supglottisch, d.h. unterhalb der Stimmlippen. Je nach Lage des Tumors kann dies zu einem Druckgefühl, stimmlichen Veränderungen (wie Heiserkeit, rauer/behauchter Stimmklang), Schluckbeschwerden und Atemnot führen. Bei Tumoren unterhalb der Stimmritze treten die Symptome meist erst im fortgeschrittenen Stadium auf.
Stimmtherapie nach Laryngektomie
Unter Laryngektomie versteht man eine operative Entfernung des Kehlkopfes.
Der Grund für eine Kehlkopfentfernung sind immer vorliegende Tumore im Kehlkopfbereich oder im Hypopharynx. Je nach Lage und Stadium können auch nur einzelne Partien des Kehlkopfes entfernt werden.
Bei einer Laryngektomie kommt es zu zahlreichen anatomischen Veränderungen, was u. a. dazu führt, dass eine normale Stimmproduktion nicht mehr möglich ist.
Es gibt folgende Varianten eine Ersatzstimmbildung zu produzieren:
a) Shunt-Ventil:
Das Shunt-Ventil (meist Kunststoffventil) ist eine Stimmprothese, welches chirurgisch zwischen die Luft- und Speiseröhre eingesetzt wird. Die Atemluft der Lunge wird über das Ventil in die Speiseröhre geleitet, welche die Pseudoglottis in Schwingung versetzt.
b) Elektronische Sprechhilfe / Elektrolarynx:
Die batteriebetriebene elektronische Sprechhilfe ist ein kleiner Tongebungs-Apparat, welcher an eine geeignete Stelle (an den Mundboden, Hals, …) angesetzt wird. Die Schallschwingungen werden in die Mundhöhle übertragen. Der Stimmklang klingt jedoch meist sehr mechanisch.
c) Ösophagusersatzstimme / Speiseröhrenersatzstimme / Ruktusstimme:
Da die Speiseröhre bei Laryngektomie der einzige Zugang zum Mundraum darstellt, wird bei der Ösophagusstimme die Speiseröhre, genauer gesagt der obere Speiseröhren-Ringmuskel (oberer Ösophagussphinkter) dazu verwendet Töne zu bilden.
d) Pseudoflüsterstimme:
Beim Pseudoflüstern artikuliert der Patient mit der wenigen Luft, welche von außen in den Mundraum gelangt. Die Sprache ist hierbei nur durch sehr deutliche Artikulationsbewegungen und mit zusätzlichem Einsatz von Mimik und Gestik verständlich.
Gewisse Laute (Vokale, Umlaute sowie die Laute „h, w, j, l, m, n“) können jedoch nicht bzw. nur undeutlich gebildet werden. Eine Stimmgebung ist nicht möglich.
3) Stimmlippenlähmung
Bei einer Stimmlippenlähmung kommt es zu einer ein- oder beidseitigen Bewegungseinschränkung der Stimmlippen aufgrund einer Schädigung des 10. Hirnnerv (N. vagus). Je nachdem, wie die Stimmlippen zueinander stehen, kommt es zu einem unterschiedlichen Grad der Heiserkeit bis zur Stimmlosigkeit, einer schnellen Stimmermüdung, Atemnot sowie zu einem Stridor (Einatmungs- und/oder Ausatmungsgeräusch).
Wodurch kann es zu einer Schädigung des 10. Hirnnervs und somit zu einer Stimmlippenlähmung kommen?
- Schilddrüsenoperation
- Intubationsnarkose
- Jodmangel
- Aneurysma
- Tumore
- Schlaganfall
- Halstraumen
- idiopathisch (nicht bekannte Ursache)
4) Fehlbildungen
z.B.:
a) Diaphragma laryngis (Segelbildung zwischen den Stimmlippen)
b) Kehlkopfasymmetrien (Differenzen in den Größenverhältnissen des Kehlkopfes)
5) Kehlkopftraumen
Ein Kehlkopftrauma entsteht durch innere oder äußere Gewalteinwirkung auf den Kehlkopf (z.B. Unfälle, Stöße, Würgen, Schläge, Intubationsschäden, …) und kann zu Kehlkopfquetschungen mit Gewebsschäden, Luxationen, Frakturen der Knorpel, Muskel- oder Nervenschäden, Hämatomen, Ödemen, Prellungen, Schleimhautreizung / -einrisse oder zum Stimmlippenabriss führen.
6) Organische Mutationsstimmstörung
Organische Mutationsstimmstörungen unterscheiden sich nicht wesentlich von den funktionellen Mutationsstimmstörungen. Es liegen jedoch organische Veränderungen am Kehlkopf vor.
7) Offenes oder geschlossenes Näseln (organisch bedingt)
Offenes oder geschlossenes Näseln (organisch bedingt)